Unser Arbeitsbegriff von Partizipation
Wir bezeichnen diese Definition als „Arbeitsbegriff“, weil wir selber in Sachen Partizipation ständig weiterlernen und keine endgültige Begriffsbestimmung anstreben. Wir dokumentieren hier (in Kürze) das augenblickliche Essential unseres Selbstverständnisses.
Partizipation verstehen wir als das Recht auf freie, gleichberechtigte und öffentliche Teilhabe der BürgerInnen, an gemeinsamen Diskussions- und Entscheidungsprozessen in Gesellschaft, Staat und Institutionen, in institutionalisierter oder offener Form. Partizipation ist aktive Praxis von Demokratie durch die Subjekte in der Gesellschaft. In einer Demokratie wird Partizipation nicht gewährt, sondern sie ist grundsätzlich ein Recht der Gesellschaftsmitglieder. Partizipation von Kindern und Jugendlichen meint, dass auch sie das Recht und die Fähigkeit zur Teilhabe am demokratischen Prozess haben, und zwar in allen sie betreffenden gesellschaftlichen Feldern und Fragen. Kinder und Jugendliche sind Träger der im Grundgesetz gewährten Rechte. Sie sind BürgerInnen dieses Staates und ihnen stehen wie allen Grund- und Beteiligungsrechte zu. Trotz der allgemeinen grundgesetzlichen Bürgerrechte fehlen gesetzliche Regelungen, die die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen differenzieren und sichern. Bisherige Regelungen verbleiben eher bei Mitsprache- und Mitwirkungsrechten und geben Kindern und Jugendlichen keine (Mit-)Entscheidungsmacht.
Mit dieser normativen Begriffsbestimmung wird an eine Tradition emanzipatorischer Partizipation (und Pädagogik) angeschlossen die auf Selbstbestimmung der Subjekte/BürgerInnen in einem mitverantwortlichen gesellschaftlichen Konflikt- und Aushandlungsprozess zielt. Mitsprache, Mitwirkung und Mitbestimmung reichen aus dieser Perspektive nicht aus: erst mitverantwortliche Selbstbestimmung erfüllt die Ansprüche solcher Partizipation. Pädagogisch geht es damit um eine Bereitstellung von Freiräumen der mitverantwortlichen Selbstbestimmung in einer Sozietät, die als Recht verstanden und einforderbar sein müssen. Partizipation muss so gestaltet werden, dass sie ein Mehr an Mit- und Selbstbestimmung der Kinder und Jugendlichen herausfordert und auch ihre Fehler, mangelnden Kompetenzen, Rückschritte als Aspekte des Lernprozesses zu mehr Demokratie versteht.
Man kann davon ausgehen, dass dieser konzeptionelle pädagogische Anspruch im Alltag pädagogischer Einrichtungen nach wie vor kaum eingelöst ist. Zudem muss immer beachtet werden, welche Partizipationsmöglichkeiten und Grenzen die jeweilige Einrichtung, aber auch die spezifischen Kinder und Jugendlichen mitbringen. Die konzeptionelle Radikalität des Partizipationsanspruchs macht dennoch alle „kleinen“ Anstrengungen nicht sinnlos, auch wenn sie diesen Anspruch (noch) nicht erfüllen, aber im Blick auf dieses Fernziel agieren. Nicht erst das leuchtende Ziel „Selbst- und Mitbestimmung“ gilt, sondern alle Zwischenstufen auf dem Weg dahin, wenn sie angemessen an Entwicklungsstand und Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen eine Weiterentwicklung zumuten. Im Sinne emanzipatorischer Partizipation gilt es, sich für eine Ausweitung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Dabei sind auch die kleinsten Versuche nützlich.
Partizipation steht in engem Zusammenhang mit der aktuellen Bildungsdiskussion als auch mit der Zielsetzung „Demokratie lernen“.